60 Jahre HBL
60 Jahre Handball-Bundesliga: Der harte Weg zur eingleisigen Bundesliga

Das „Wunder von Karl-Marx-Stadt“ ermöglichte 1977 die Einführung der eingleisigen Bundesliga. In der Serie 1976/77 entschieden Winzigkeiten über Klubexistenzen.
Ein Knie stürzte die Hälfte aller Bundesligateams in den Existenzkampf. Davon ahnte der Großwallstädter Torwart Manfred Hofmann allerdings nichts, als er in der mythenumrankten Olympiaqualifikation zwischen Deutschland West und Deutschland Ost am 6. März 1976 den entscheidenden Siebenmeter gegen Hans Engel parierte – und damit der DHB-Auswahl sensationell das Ticket für die Olympischen Spiele bescherte.
Millionen hatten diesen Krimi von Karl-Marx-Stadt live vor den Bildschirmen miterlebt. Erst mit dieser sportlichen Sensation im Rücken konnte Bundestrainer Vlado Stenzel seine programmatischen Forderungen vom 28. Mai 1975 durchsetzen. Wolle man mit dem Ostblock mithalten, sei nicht nur eine Intensivierung des Trainings, eine bessere Trainerausbildung und Talentförderung nötig. Sondern auch, zwecks Konzentration der Kräfte, eine eingleisige Bundesliga mit nur 14 statt insgesamt 20 Vereinen.
Aber das war von der Mehrheit der Bundesligavereine zunächst abgelehnt worden. Zu hohe Reisekosten, hieß es. Nach Karl-Marx-Stadt jedoch wendete sich das Blatt. „Die Qualifikation hat den Status von Stenzel enorm erhöht und so letztlich vielleicht die Einführung der eingleisigen Bundesliga ermöglicht“, erinnerte sich der spätere HBL-Präsident Heinz Jacobsen. Beschlossen wurde die neue „Gala-Liga“ im April 1976. Eine hauchdünne Mehrheit (55:52) stimmte beim DHB-Bundestag für die eingleisige Liga ab der Serie 1977/78.

Der TV Wellinghofen 05 mit dem Trikotsponsor „Frucade"
Die Forderung Stenzels entsprach dem Zeitgeist, in welchem die wirtschaftliche Ausstattung der Vereine zunehmend an Bedeutung gewann. Kein Wunder, dass die Klubs ihre Etats mit Trikotwerbung finanzieren wollten, nachdem der Fußball-Bundesligist Eintracht Braunschweig 1973 mit „Jägermeister“ den Bann gebrochen hatte.
Das Rennen um den ersten Trikotpartner im Handball machte der TV Wellinghofen 05, der kurz vor den Halbfinalspielen der Saison 1973/74 den Rosenheimer Brause-Hersteller „Frucade“ als Sponsor präsentierte – und dann auch im Finale gegen Gummersbach (14:19). „Von den Einnahmen aus den Spielen und den Beiträgen allein können wir auf Dauer die Bundesliga-Mannschaft nicht unterhalten“, erklärte Wellinghofens Vorsitzender Friedhelm Hohlsiepe.

Trikot und Schuhe von GWD in den grün-roten Farben ihres Sponsors Melitta
Noch aber unterstand der Handball dem olympischen Amateurstatut, weshalb Trikotwerbung doch wieder untersagt wurde. Der Meister des Jahres 1977, Grün-Weiß Dankersen, umging dieses Verbot trickreich, indem das Team einfach in den grün-roten Farben ihres Sponsors Melitta auflief.
In der Serie 1976/77 gerieten über die Hälfte der Bundesligisten in Nöte, da insgesamt acht Absteiger ermittelt werden mussten. „Noch nie ging es in den Hallen zwischen Kiel und München so rabiat zu wie in diesen Tagen“, urteilte das Magazin Stern im Herbst 1976. Der Kampf um die Bundesligaqualifikation schüre „die Existenzangst und treibt die Sportler in einen gnadenlosen Kampf ums Überleben“.
Oft entschied nur ein mickriges Tor. So am 12. März 1977 in der Kieler Ostseehalle, als der THW vor 7000 Fans im Krimi gegen Wellinghofen nur aufgrund zahlreicher Paraden seines Keepers Holger Oertel mit 9:8-Toren die Oberhand behielt und so dafür sorgte, dass der spätere Rekordmeister sich mit einem Punkt Vorsprung in die eingleisige Bundesliga rettete. „Die nervliche Anspannung war riesig“, erinnerte sich der damalige THW-Spielertrainer Gerd Welz.
Vier der acht Vereine, die im Frühjahr 1977 den Weg in die Regionalligen antreten mussten, kehrten nie wieder in die Bundesliga zurück, darunter Phönix Essen, Eintracht Wiesbaden und die TSG Oßweil. Der TuS Wellinghofen versuchte dem Absturz durch eine Klage vor ordentlichen Gerichten zu entgehen. Hintergrund war, dass der TuS Derschlag nur durch eine Wertung zu zwei Punkten gegen den VfL Gummersbach gekommen war, weil der VfL einen gesperrten Spieler eingesetzt hatte.
Doch so hoffnungsvoll der junge Anwalt der Wellinghofener, der spätere Präsident von Borussia Dortmund, Dr. Reinhard Rauball, auch war: Am Ende entschied der DHB gegen eine Aufstockung der Liga. Und so verschwand der Pionier des Trikotsponsorings nur drei Jahre nach dem Werbecoup für immer in den Niederungen des deutschen Handballs.













