50 Jahre DHB-Pokal
50 Jahre DHB-Pokal: Der Aufstieg des Final4-Turniers um den DHB-Pokal zum Spitzenevent

Mit dem Umzug in die Hamburger Color Line Arena stieg das DHB-Pokal-Final4 zu einem Event auf. War der Zuschauerzuspruch bei der Premiere des Formats 1993 noch ausbaufähig, sollte sich dies schon rasch ändern. Heute gehört das Lidl Final4 zu den größten Sportveranstaltungen Deutschlands.
Fünf Sekunden waren noch zu spielen im Endspiel um den DHB-Pokal des Jahres 2003, und in diesen fünf Sekunden sollte sich für die SG Flensburg-Handewitt alles verändern. Linksaußen Lars Christiansen startete zum finalen Tempogegenstoß, kreuzte das Spielfeld – und überwand den Essener Keeper Grischa Hannawald mit der Schlusssirene per Trickwurf, mit einem abgebrühten „Leger“ in die lange Ecke.
Als das 31:30 (27:27, 16:12) gegen den TuSEM Essen feststand, stürmten seine Mitspieler auf ihn zu und begruben ihn förmlich unter sich, um den ersten großen nationalen Titel der Nordlichter aus Flensburg zu feiern. Marcin Lijewski, Blazenko Lackovic, Jan Holpert, Joachim Boldsen ließen ihren Emotionen freien Lauf. Und auf der Tribüne kämpfte Manfred Werner mit seinen Tränen. „Es ist wie ein Wunder“, sagte das SG-Urgestein.

SG Flensburg-Handewitt nach dem DHB-Pokalsieg 2004
Der Funktionär meinte das in doppelter Hinsicht. Gemünzt war das auf den Triumph seiner SG, die er 1974 zunächst als SG Weiche-Handewitt und 1990 als SG Flensburg-Handewitt aus der Taufe gehoben hatte. Der Aufstieg des Handballdorfes Handewitt in die internationale Spitze mutete in der Tat surreal an. Aber das galt in Werners Augen ebenso für die grandiose Kulisse.
Als Lars Christiansen an diesem historischen Tag im April 2003 mit seinem Tor die Entscheidung erzwang, schauten fast 13.000 Fans dabei zu. Es war eine atemberaubende Atmosphäre beim ersten Final Four in der Hamburger ColorLine Arena. Ein Szenario, das für Manfred Werner angesichts der teils schwierigen Erfahrungen mit diesem Turnier unwirklich erscheinen musste.
Werner dachte zurück an das Jahr 1993, als der 1992 gegründete Ligaausschuss um Heinz Jacobsen in Frankfurt das Final Four erstmals in der Frankfurter Ballsporthalle getestet hatte. Wem diese Idee gekommen war, weiß heute niemand mehr. „Womöglich hat die SG Wallau, als sie sich um die erste Austragung bewarb, das so vorgeschlagen“, mutmaßt Jacobsen. Andererseits drückte bereits zu dieser Zeit ein enger Kalender. „Wahrscheinlicher ist, dass wir diesen Modus wegen der Terminprobleme entwickelt haben“, sagt Jacobsen. Just war die Austragung von Europameisterschaften beschlossen worden.
Die Premiere im Juni 1993 verlief anders als erhofft. Das Finale zwischen der SG Wallau-Massenheim und Bayer Dormagen (24:21) endete mit einem Eklat, nachdem der Dormagener Matthias Schmidt den Rückraumstar Stephan Schöne niedergestreckt hatte. Nach dem Ausschluss mussten die Rheinländer in den letzten 19 Minuten mit nur fünf Feldspielern auskommen; Nationaltorwart Andreas Thiel erregte das so sehr, dass eine Tür das Zeitliche segnete.

Übergabe des DHB-Pokals an die SG Wallau-Massenheim 1993
Vor allem aber waren die Ränge nur zur Hälfte besetzt. Und das, obwohl mit der SG Wallau-Massenheim und dem Zweitligisten Eintracht Wiesbaden zwei Klubs aus der Nähe von Frankfurt teilnahmen. So mussten die vier Teilnehmer (Wallau, Wiesbaden, Dormagen und Hameln) das Defizit ausgleichen. „Jeder Klub musste damals 3.000 bis 4.000 Mark bezahlen, weil das Turnier nicht kostendeckend war“, erinnert sich später Uwe Stemberg als HBL-Spielleiter.
Bei der Reflexion kam Jacobsen die zündende Idee. „Die Vorstellung war, in eine Stadt zu gehen, die als Standort ähnlich populär ist wie Berlin im Fußball“, erzählt er. Doch die Skeptiker befürchteten weitere katastrophale Veranstaltungen für den Fall, dass sich vier Süd-Vereine für Hamburg qualifizierten. Hamburg war seinerzeit eine Handball-Diaspora; seit Mitte der 1970er Jahre spielte dort kein Erstligist mehr.
Aber der Visionär Jacobsen setzte sich durch, so gastierte das Final Four 1994 erstmals in der Alsterdorfer Sporthalle. „Wir mussten viel improvisieren“, sagt Jacobsen. „Damals haben wir beispielsweise ein VIP-Zelt auf dem Parkplatz hinter der Halle aufgebaut.“ Doch die Zuschauer nahmen den Event an. Die Halle, die knapp 4.500 Fans fasste, war stets ausverkauft. Schon bei der ersten Austragung 1994 erhielten die vier Teilnehmer eine fünfstellige Prämie.
Die Nachfrage entwickelte sich so prächtig, dass die Liga 2001 einen Umzug in eine andere Stadt in Erwägung zog, eine Option war die neue Kölnarena. Doch als mit der Color Line Arena eine moderne Spielstätte entstand, blieb das Turnier in Hamburg. Vor dem Umzug in den Volkspark jedoch befürchtete Werner, der im Präsidium der Liga für die Finanzen zuständig war, die Halle nicht füllen zu können. Er sorgte sich um die just neugegründete HBL GmbH, die das Event nun verantwortete.
„Ich hatte starke Bauchschmerzen, das gebe ich zu, das Risiko erschien mir sehr groß“, berichtete Werner später. „Doch dann sahen wir, als der Kartenverkauf im Internet freigeschaltet wurde, dass die Karten wie warme Semmeln weggingen.“ Die Erleichterung war groß. „Es war eine große, schwierige Entscheidung. Keiner konnte ahnen, dass das so ein großer Renner werden würde.“
Der Aufstieg vom Zuschussgeschäft zum Erfolgsmodell hatte Folgen: 2004 fand sich erstmals ein Namensponsor (Asics) für das Final4. Und auch für die SG Flensburg-Handewitt entpuppte sich der Pokalsieg 2003 als Zäsur in der Vereinsgeschichte: 2004 gewann das Team um den Handball-Künstler Lars Christiansen sogar das Double aus Meisterschaft und Pokal – und feierte 2005 in Hamburg im DHB-Pokal sogar den Titel-Hattrick.
SG-Legende Lars Christiansen
Und auch mit der Entwicklung des Final4 ging es erfolgreich weiter. Nach fast 30 Jahren in Hamburg wechselte das große Finalwochenende um den DHB-Pokal 2023 nach Köln. Seither verfolgen 19.750 erstmals in der LANXESS Arena in Köln, einer der größten und modernsten Veranstaltungshallen der Welt, das Premium-Event.